Leserbrief (war erst online in LZ veröffentlicht, ist nun dort verschwunden):

Zum LZ Artikel "Paradies für Seltenheiten" am 5.1.2012

Getrübtes "Paradies"

Das Thema Waldzustand ist gut, aber sollte von allen Seiten beleuchtet werden, nicht nur einseitig aus Sicht des Forstamtleiters. Bei dem Artikel wurden nämlich nicht die diversen Waldschäden erwähnt, die durch forstliche Übernutzung der letzten Jahre entstanden sind. Denn das gesunkene Grundwasser ist nicht allein Schuld.

Das "Artenvielfalts-Paradies" hier hat sich nämlich schon dank vermehrter und viel intensiverer Forstwirtschaft deutlich verschlechtert. Dabei wird noch nicht mal auf besonders zu schützende FFH-Gebiete wie den "Reliktwald Lampertheim" Rücksicht genommen.
Auch Brutbäume mit Nisthöhlen werden im Natura 2000 Gebiet nicht verschont, wenn der Holzmarkt boomt. Und die Behauptung von Forstamtsleiter Schepp, dass bisher nur Bäume gefällt wurden, "die das Gleichgewicht störten", kann man schon gar nicht nachvollziehen. Denn das ökologische Gleichgewicht wurde in den letzten Jahren eher durch forstliche Eingriffe gestört.

Auch die jetzige Mechanisierung des Hessen-Forst ist kontraproduktiv für die positive Waldentwicklung. Die Harvester richten alljährlich große Waldschäden an. Egal, ob im Wirtschaftswald oder in Schutzgebieten, es werden hier überall so in 20m Abstand breite Rückegassen angelegt. Und damit sich der Maschinenpark lohnt, werden die Großmaschinen auch das ganze Jahr über eingesetzt. Früher war so ein Holzeinsatz hier gemäßigt. Der Wald hatte dann auch Zeit sich von den forstlichen Eingriffen zu erholen. Seit einigen Jahren allerdings sind die Harvester hier im Dauereinsatz. Diese verdichten den Boden, richten Kollateralschäden an gesunden Bäumen (Wurzeln und Rinde) an und stören die Tierwelt.

"Waldumbau": D.h. das Forstamt veränderte die natürliche Flora und Fauna und störte somit das Ökosystem. Es nahm nach eigenem Ermessen altbewährte, heimische Arten heraus und pflanzte standortfremde Bäume. Der Holzmarkt boomt, also wurden sehr viele Buchen und Eichen im besten Alter gefällt. D.h. Altbäume werden hier immer seltener, was aber nicht natürlich bedingt ist. Dafür werden vermehrt nicht heimische Douglasien gepflanzt. Warum z.B. keine Hainbuchen, die auch sehr tief mit 3,50m wurzeln?
Vor allem Insekten (ganz wichtig im Ökosystem) sind abhängig von bestimmten heimischen Baumarten. Von einer Eiche sind z.B. 284 Insektenarten abhängig, von einer Douglasie nur 1 Art. So ein "Waldumbau" ist also mehr als fragwürdig.

Ganz kritisch sind hier die vielen Neuanpflanzungen von der nicht heimischen, schnell wachsenden Douglasie zu sehen. Es gibt ca. 50 heimische Baumarten in Deutschland, die nach langen Zeiträumen der Evolution funktionierende Ökosysteme gebildet haben. Diese haben Abhängigkeitsverhältnisse entwickelt, die verhinderten, dass eine Art überhand nimmt. Sowie eine neue, fremde Art wie die Douglasie eingebracht wird, kann das schwerwiegende Folgen für Flora und Fauna haben! Folgen, die der Hessen-Forst jetzt noch gar nicht absehen kann!

Bestes Negativ-Beispiel hierzu sind die früher forstlich eingebrachten Robinien und Traubenkirschen, die sich auch hier massig ausbreiteten und heimische Arten verdrängten. Leider wurden sie hier noch nicht mal im besonders zu schützenden FFH-Gebiet frühzeitig entfernt. Mit Robinien hat man nun nach 2 Generationen schon schwerwiegende "hausgemachte" Probleme im Wald. Mit Traubenkirschen machte man sie bereits nach 1 Generation...
...Und Douglasien sind erst 0,2 Generationen bei uns im Wald. Siewerden 800 Jahre alt und 3x so hoch wie Buchen und Eichen! Trotzdem wird mit ihrer vermehrten Anpflanzung ein unkalkulierbares Risiko eingegangen. Nach dem Motto "No risk- No fun"?
Douglasien wachsen 2x so schnell wie Buchen und3x so schnell wie Eichen und sind deshalb dank Holzboom forstwirtschaftlich besonders interessant. Aber ausreichend Erfahrung mit ihrer Ausbreitung und Auswirkung auf heimische Arten hat man noch nicht gesammelt. Die eigentlichen Probleme kommen ja auch erst in der 2. Baumgeneration, wenn z.B. eine Naturverjüngung stattgefunden hat.

Warum macht der Hessen-Forst also solche fragwürdigen Experimente mit dem Waldökosystem? Eigentlich sollten sie doch aus den schlechten Erfahrungen mit Robinie, Traubenkirsche und Co dazu gelernt haben.

S.Hodges

Hüttenfeld

 

www.Natur-um-Huettenfeld.de